Der Bionik Kongress

Nachbericht zur Verleihung des 1. Awards für bio-inspirierte Innovationen BW im Rahmen eines Gala-Abend und zum 6. Bionik-Kongress Baden-Württemberg in Mannheim

Pascal Mindermann, Sekretär des Netzwerks für Bionische Entwicklungen BW e.V. i.G. (26.05.2025)

Am 5. und 6. Mai 2025 öffnete das John Deere Forum in Mannheim seine Türen für zwei bemerkenswerte Veranstaltungen: Sie zeigten, wie die Natur als Quelle für zukunftsweisende Innovationen dienen kann. Das Netzwerk für Bionische Entwicklungen Baden-Württemberg e.V., das sich derzeit in Gründung befindet (über die Website können schon jetzt Mitgliedsanträge gestellt werden) war Veranstalter des 6. Bionik-Kongress Baden-Württemberg am 06. Mai 2025 und des Gala-Abend mit der Verleihung des 1. Award für bio-inspirierte Innovationen Baden-Württemberg am Vortag. Diese beiden Veranstaltungen boten jungen Menschen eine einzigartige Gelegenheit, die Welt der „bio-inspirierten“ Innovationen kennenzulernen, sich mit führenden Unternehmen zu vernetzen und bio-inspirierter Lösungen hautnah zu erleben.

Aus dem John Deere Forum beim Gala-Abend am 05.05.25 bei den Bewerber-Vorstellungen

Der Galaabend am 5. Mai 2025 läutete die Veranstaltungsreihe mit einem inspirierenden Programm ein. Unter dem Motto Wie befähigen wir die „Generation Tablet“ zu Innovationen für unsere Zukunft? versammelten sich Gäste im festlichen Rahmen, um die Bedeutung natur-inspirierter Entwicklungen zu feiern. Der Abend begann mit herzlichen Begrüßungen von Linus Baumhauer, dem Gastgeber + Werkleiter von John Deere Mannheim, Peter M. Kunz vom Netzwerk für Bionische Entwicklungen Baden-Württemberg e.V. sowie Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht. Besonders die Relevanz solcher Initiativen „zum Lernen aus der Natur“ und daraus abgeleiteter Innovationen für die Region würdigte der OB, der die Initiative des Netzwerks und von bionik-mannheim.de vertreten von Peter M. Kunz  hervorhob.

Erster Höhepunkt des Abends war die Vorstellung von fünf herausragenden Bewerbungen für den ersten Award für bio-inspirierte Innovationen Baden-Württemberg. Eine unabhängige Expertenjury des Netzwerks hatte diese aus zahlreichen Einreichungen ausgewählt. Tobias Gauss von Ziehl-Abegg präsentierte eine Ventilatoren-Entwicklung zur Geräuschminimierung, inspiriert vom lautlosen Flug der Eule. Christian Ragg, Johannes Preußner und Jörg Lienhard von Schölly aus Denzlingen stellten ein bio-inspiriertes Endoskop vor. Danach zeigte Hendrik Hölscher vom KIT IMT einen „Nanopelz“, der nach dem Prinzip der Salvinia-Pflanze Öl aus Wasser beispielsweise nach Havarien vollständig aufsaugen kann. Rolf Luther von Fuchs Lubricants stellte innovative Schmierfette aus Birkenrinde vor, die nichtmehr antimikrobiell ausgerüstet werden müssen, weil die Birkenrinde diese Wirkstoffe schon von sich aus mitbringt. Schließlich begeisterte Oliver Schwarz vom Fraunhofer IPA durch seinen Bohrer für rechteckige Löcher.

Ein zentraler Programmpunkt war danach die hautnahe Diskussion zum Motto des Abends. Diese bot einen lebendigen Ansatz, um mit Jung und Alt ins Gespräch zu kommen. Peter M. Kunz hatte Vorstände innovativer Unternehmen eingeladen, die Statements dazu abgaben, wie sie in ihren Unternehmen die „Generation Tablet“ zu Innovationen befähigen Mit einem fliegenden Mikrophon waren die umstehenden Teilnehmer spontan in die Lage versetzt, sich in die Diskussion einzubringen. Etwa zwei Drittel, insbesondere die jungen Teilnehmenden, haben sich an dieser dynamischen Diskussionsrunde beteiligt, ob sie diese Visionen und Intentionen teilen und was sie von ihren Unternehmen erwarten bzw. bereits „bekommen“. Die Diskussion wurde aufgezeichnet: sie kann auf Nachfrage bei peter.m.kunz@bionik-mannheim.de in Kürze geordert werden.

Moderator Peter M. Kunz und die 5 Bewerber mit Bildern aus ihren Präsentationen

Die Spannung stieg: Während der Diskussionsrunde war die Anzahl der Stimmkugeln ausgezählt worden, mit denen das stimmberechtigte Publikum die Reihenfolge der 5 Kandidaten festgelegt hatte. Die Stimmkugeln dienten der Finanzierung des Bionik-Kongresses, für den die Teilnehmenden anstelle 250 € Teilnahmegebühr nur 30 € bezahlen mussten, sofern sie unter 31 Jahre alt und eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen hatten.

Mit großer Zustimmung (37 von 100 Stimmkugeln) wurde der bionisch-entwickelte Bohrer für eckige Löcher von Oliver Schwarz vom Forschungsbereich Pharma- und Bioproduktionstechnik am FhG IPA gekürt. Diese Innovation, die vom Pendelhubprinzip der Holzwespe inspiriert ist, ermöglicht es, ohne Rotation Löcher mit eckigen Querschnitten – also rechteckige, dreieckige usw. – in alle möglichen Materialien zu bohren: Eine Innovation  mit beeindruckenden Einsatzmöglichkeiten in Medizin, Bodenarbeiten und sogar unter Schwerelosigkeit.

Die Skulptur Aufschwung für bio-inspirierte Innovationen, entwickelt von Kunz+Kunz, wurde feierlich von Vorstandsmitgliedern des Netzwerks für Bionische Entwicklungen Baden-Württemberg e.V. i.G. überreicht.

Landwirtschaftsminister Peter Hauk MdL, der die Schirmherrschaft für den Award übernommen hatte, betonte in seiner Video-Botschaft die Bedeutung des Awards für unser Land, insbesondere um junge Menschen anzustiften, bio-inspirierte Innovationen zu generieren. Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz BW hatte den Award gestiftet, den die Schreinerei Bechtold aus Mannheim aus einem Lindenholz-Stamm herausgearbeitet hat.

Es folgte später am Abend noch die Verleihung des Sonderpreises für bionische Energiewende-Innovation in Höhe von 500 €, finanziert von der MVV Stiftung Zukunft. Urkunde + symbolischer Scheck wurde für das adaptive Fassadenbeschattungssystem FlectoLine des ITFT der Uni Stuttgart von Alina Lara Amann, Vorständin der MVV-Stiftung Zukunft übergeben. Ausgezeichnet wurde diese Entwicklung, weil sie zur nachhaltigen unJohn Deere eine d klimaneutralen Energieversorgung beiträgt und die Möglichkeiten der Bionik für die Energiewende sichtbar macht; inspiriert von der Wasserfalle und der Streifenwanze. Zu besichtigen ist ein Prototyp im Botanischen Garten Freiburg.

Am folgenden Tag setzte der 6. Bionik-Kongress Baden-Württemberg unter dem Motto …aus der Natur gelernt – für Innovationen das Programm fort. Die Schirmherrschaften hatten Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus sowie der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht übernommen. Den über 80 Teilnehmenden, darunter vielen jungen Menschen (über 90%), bot der Kongress eine Plattform für den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und potenziellen Nachwuchskräften, die mit Methoden, wie man aus der Natur für sich und sein Unternehmen lernen kann, um Innovationen für unser aller Zukunft zu generieren. Statt monotoner Frontalvorträge setzte das Programm auf einen frischen, interaktiven Ansatz: Anwendungsorientiertes und multisensorisches Lernen stand im Vordergrund. Nach einem einführenden allgemeinen Veranstaltungsteil mit 6 Experten-Interviews zu bio-inspirierten Innovationen der Baden-Württembergischen Unternehmen Ziehl-Abegg, Binder, Sto, Fiber-Engineering, Fondium + SachsEngineering sowie Schunk, an denen überaus viele Teilnehmende und Akteure sich mit Detailfragen beteiligten, erlaubte das John Deere Werk eine spezielle Führung durch das Werk. Die meisten Teilnehmenden hatten noch nie eine Fabrik von Innen gesehen gehabt. Wie auch sonst die ganze Veranstaltung hatten die vielen Akteure (weit über 50 hatten sich engagiert) die überwiegend jungen Menschen beGEISTert.

Nachmittags tauchten die Teilnehmenden in verschiedene Foren ein, die ihnen verschiedene Prinzipien des bionischen Entwickelns durch praktisches Erleben näherbrachten. Dieser innovative Lernansatz förderte nicht nur das Verständnis, sondern sorgte durch Teamarbeit bei der Problemlösung auch dafür, dass das Gelernte lange im Gedächtnis verankert bleiben wird. Die Themen der Foren spiegelten die Anwendung bioinspirierter Innovationen in Unternehmen wider sowie Trends in der aktuellen Forschung aus Baden-Württemberg.

Ein Forum, gesponsert von Gottlieb Binder GmbH aus Holzgerlingen und der Zeitschrift GIT Laborpraxis, widmete sich dem Thema „Haften wie ein Gecko“. Unter der Moderation von Dirk-Michael Drotlef erlebten die Teilnehmer die Gecko-Hafttechnologie hautnah, testeten die Haftung selbst und erfuhren im Gespräch mit Halvor Tramsen, dem Leiter der Entwicklung bei Gottlieb Binder, mehr über die Technologie dahinter. Ein weiteres Forum, gestaltet von STO SE aus Stühlingen und unterstützt von der Zeitschrift JOT, beleuchtete die Lotus-Effect-Technologie für langanhaltend saubere Fassaden. Robert Isele erklärte die Prinzipien des Lotus-Effekts. Gezeigt wurde auch eine geniale Weiterentwicklung: Schnelltrocknende Oberflächen: gelernt vom Nebeltrinker-Käfer, der fast 100% der Trautropfen auf seinem Rücken in den Mund fließen lassen kann. Das Forum zu Naturfasern in Produkten, gesponsert von FIBER Engineering aus Karlsruhe und dem FhG-Institut IPA in Stuttgart, wurde von Geschäftsführer Egon Förster und Oliver Schwarz moderiert mit der Unterstützung von Pascal Mindermann von der Universität Stuttgart. Hier konnten die Teilnehmenden ungewöhnliche Naturfasern anfassen und in Workshops deren nachhaltige Anwendung sowie faserbasierte Leichtbaukonzepte nach dem Vorbild der Natur erkunden. Besonders spannend war das Forum Greifen begreifen in der Robotik, gesponsert von der Schunk GmbH aus Lauffen am Neckar. Entwicklungschef Martin May  und Jan Kotschenreuther von der Hochschule Karlsruhe führten durch Simulationen mit bionischen Händen. In den nachfolgenden Bild-Impressionen kann man sehen, wie so ein Forum abgelaufen ist (Impressionen zum Kongress)

Der Galaabend und der 6. Bionik-Kongress Baden-Württemberg hinterließen einen bleibenden und positiven Eindruck. Sie zeigten eindrucksvoll, wie die Natur als Lehrmeister für innovative Lösungen dienen kann, und boten jungen Menschen die Chance, sich aktiv einzubringen und Kontakte untereinander und zu potenziellen künftigen Arbeitgebern zu knüpfen. Die Kombination aus inspirierenden Preisverleihungen und einem innovativen Lernkonzept machte diese Veranstaltungen zu einem gelungenen Beispiel dafür, wie Wissenschaft und Praxis Hand in Hand die Zukunft gestalten können.